Ein Frosch namens Hermès

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Ich habe meinen Koffer in Deutschland nur mit Businesskleidung und Platz für billige Wunderwerke der asiatischen Schneiderkunst ausgestattet. Seit meinem ersten Tag in China bereue ich diese Entscheidung:

Als ich in meinem weißen Hemd am Campus aus dem Taxi stieg, begrüßten mich drei Studentinnen – sie trugen allesamt T-Shirts mit comichaften Tierköpfen. „Du trägst also gerne Hemden?“, fragten sie. Alltagstaugliche Kleidung musste her, doch diese liegt in der Nähe der Schule preislich genau gleich, wie in Europa – selbst in den „Billigläden“. Nun wollte ich meine Begleiterinnen nicht enttäuschen und kaufte ein Shirt mit Aufdruck zu 7 €, für den Campus: Damit sah ich den Studentinnen schon fast ähnlich…

Sobald die drei Chinesinnen bemerkten, wie ich auch klassisch-asiatische Kleidung musterte, fragten sie mich: „Gefällt dir das?“ Ich habe vor, ähnliche Stücke nach Deutschland mitzunehmen. Meine jungen Begleiterinnen sind nicht die einzigen, die finden: „Ja, dort kannst du das vielleicht tragen!“ Einige Male habe ich Chinesen gefragt, was sie gegen ihre traditionelle Kleidung haben. „Zu offiziell!“, lautete die Antwort. Tatsächlich sah ich einmal eine Chinesin mit bestickter Seidenkleidung und freute mich… bis ich erkannte, dass sie zu einer Kellner-Truppe auf dem Weg zur Arbeit gehörte.

Nach einigen Besuchen in verschiedenen Restaurants bekam ich im Fotografie-Unterricht Bilder einer Hochzeit zu sehen. Ich fragte mich, wieso die Kellnerin so oft auf den Fotos erschien und wo die Braut abgeblieben war! „Moment mal, die Braut!“ Die Frau im roten Seidenmantel auf den Fotos war wohl gar keine Kellnerin, obwohl sie ihren Gästen ‚Jiaozi‘ genannte Teigtaschen reichte und fleißig Räucherstäbchen anzündete.

Am Tag meiner Ankunft in China begegnete ich nachmittags noch der Dame vom Auslandsamt: Ihr schwarzes Top mit gemusterten Ärmeln zierten Pailletten in einem dunklem Goldton, welcher zu ihrer senffarbenen Hose passte. Also ist es hier möglich, mit den im Vergleich zu Europa stark verzierten Kleidungsstücken aus den lokalen Läden arbeiten zu gehen! In Sachen Stil lag ich mit der im Internet gefundenen Empfehlung zur Businesskleidung (Asiaten seien da generell sehr streng) folglich ziemlich weit daneben. In der darauffolgenden Woche trug die Auslandsamtsbeauftragte ein türkisfarbenes Kleid, das mir wieder einmal gefiel und ich fragte sie nach Einkaufsmöglichkeiten. Kurzerhand nahm sie mich mit in die nächste Mall. Auf dem Weg dorthin fragte sie mich nach der deutschen Aussprache der französischen Marke Hermès: „Hm. Herrmes?“ Das klang für sie nach ‚Frosch‘! Zum Glück haben Chinesen aber ihre ganz eigene Art, Markennamen auszusprechen – oder auch westliche Namen allgemein. Aber das ist eine andere Geschichte…

© Laetitia Michel

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